Mentales Aktivierungs-Training (MAT)

Von der Körperbewusstheit hin zur geistigen Fitness

Wir leben in einer Gesellschaft, in der körperliche Fitness hohes Ansehen genießt. Sie steht für Kraft und Wohlbefinden. Das Bewusstsein in der Gesamtbevölkerung für die Notwendigkeit von Bewegung zur Besserung des allgemeinen körperlichen Zustandes ist in den letzten Jahren gestiegen. So ist beispielsweise das Publikum in den ohnehin immer zahlreicher werdenden Fitnesscentern vom Altersspektrum her betrachtet heute wesentlich gemischter als noch vor zehn Jahren. Auch ältere Menschen scheuen sich immer weniger diese Trainingsstätten aufzusuchen und systematisch bestimmte Muskeln und die allgemeine physische Ausdauer zu trainieren. Senioren erlernen gelenkschonendes Nordic Walking, gehen regelmäßig Schwimmen, Wandern und fahren Rad. Daran ist viel Gutes. Ein grundsätzlich höheres Gesundheitsbewusstsein mag für diese Entwicklung mitverantwortlich sein, ebenso wie der vereinfachte Zugang, zumindest in Städten, zu Fitness- und Wellness-Centern. Auch ist der medizinische Diskurs dahingehend orientiert und Krankenkassen werben mit Ausdauertrainingsgruppen. Ärzte empfehlen ihren Patienten sich gesund zu ernähren, ausreichend zu trinken und im Alltag auf Bewegung des Körpers zu achten. Doch wie steht es mit dem Geist und seinen Potentialen?

Wir leben in einer Informationsgesellschaft. Schnelle Verarbeitung, Reaktion und Wissen gehören ebenso zu den Anforderungen im täglichen Leben, wie körperliches Leistungsvermögen, wenn nicht gar mehr. Mit zunehmendem Alter fühlen wir uns häufig überfordert von unkontrolliert auf uns einströmenden Wissensangeboten. Medien wie Fernsehen, Rundfunk und Internet, aber auch vorgegebene Anforderungen am Arbeitsplatz lassen uns häufig zu passiven Wissenskonsumenten verkümmern und vermitteln nur selten Strategien, sich das angebotene Wissen im wahrsten Sinne des Wortes zu eigen zu machen.

Das Mithalten in dieser Gesellschaft hängt also nicht allein von der Physis, sondern eben auch sehr stark von den geistigen Ressourcen ab. Mentale Fitness ist aber auch heute noch, im Gegensatz zur körperlichen Leistungsfähigkeit, ein heikles, ja sogar tabuisiertes Thema. Wer zugibt, dass es ihm schwerfällt sich zu erinnern, sich zu konzentrieren oder Neues zu erlernen, erfährt selten mehr als: "Ab einem gewissen Alter ist das doch ganz normal".

Ist der Verlust der geistigen Fähigkeiten so unabwendbar, wie es dieser schnell dahin gesprochene Satz suggeriert? Intelligenzforscher rund um den Globus wissen, dass dem nicht so ist. Der Erlanger Forscher und Psychologe Dr. Siegfried Lehrl hat in Deutschland seit Beginn der 1980er Jahre ein Trainingskonzept (MAT) entwickelt und etabliert, mit dem der bewussten Informationsverarbeitung nachweislich auf die Sprünge geholfen werden kann. Denn hilfreiche Worte und unterstützende Wege finden Menschen, die sich um ihre geistige Fitness bemühen wollen, selten. Die "Gedächtnispille", mit deren Einnahme man sich einen "gesunden Geist" erschlucken könnte, gibt es nicht und obgleich wir einige Substanzen kennen, deren Einnahme sich positiv auf hirnphysiologische Prozesse auswirkt - allen voran schlicht und ergreifend Wasser -, ist es damit alleine nicht getan. Der Weg zu einem gut geschmierten Geist liegt ähnlich wie beim Trainieren von verschiedenen Muskelgruppen im eigenverantwortlichen Nutzen unserer mentalen Fähigkeiten. "Use it, or lose it" sagen die Amerikaner, "Wer rastet, der rostet" weiß der deutsche Volksmund. Wie auch bei körperlicher Fitness müssen wir selbst aktiv werden. Es gibt zwar keine Fitnesscenter für mentales Training, doch gibt es wissenschaftlich fundierte Trainingsansätze, die auf informationspsychologischen Theorien beruhen und Wissen um hirnphysiologische Prozesse integrieren. Warum diese nicht nutzen?

Die Gesellschaft für Gehirntraining e.V. (GfG) beschäftigt sich seit mehr als 25 Jahren mit dem Thema der Erhaltung und Förderung geistiger Fähigkeiten. Sie hat heute 2.800 Mitglieder und hat mehr als 1.000 MAT-Trainer im deutschsprachigen Bereich ausgebildet. Das von Dr. Siegfried Lehrl entwickelte Gehirntraining - später unter dem Namen Mentales Aktivierungs-Training (MAT) präzisiert - ist ein wissenschaftlich fundiertes Konzept, welches mentales Training ermöglicht und dazu beiträgt, die geistige Fitness zu erhalten beziehungsweise gezielt zu fördern.

Verlust der geistigen Fitness - (k)ein Privileg des Alterns?

Tatsächlich nimmt die geistige Fitness mit zunehmendem Alter statistisch gesehen auch bei gesunden Menschen ab. Die durchschnittliche Intelligenzentwicklung im Laufe eines Lebens wird in der Regel wie folgt beschrieben: die mentalen Kapazitäten steigen etwa bis zum 16. Lebensjahr an, bleiben circa bis zum 25. Lebensjahr erhalten und sinken von diesem Zeitpunkt an langsam aber stetig. Es wird heute angenommen, dass unser Gehirn mit seinen 100 Milliarden Neuronen im Alter von 16 Jahren ausgereift ist und der Mensch zu diesem Zeitpunkt auf seinem persönlichen Hochpunkt der geistigen Leistungsfähigkeit angelangt ist. Ein zusätzlicher Knick mit Abwärtstrend zeichnet sich in dieser Durchschnittskurve ab dem 60. bis 65. Lebensjahr ab und ist in der Biographie von vielen Menschen gleichzusetzen mit dem Beginn der Rente. Die Erkenntnis dieser Entwicklung führte in den 1980er Jahren zu dem provokanten Ausspruch: "Hilfe, wir werden immer dümmer!". Eine differenzierte Betrachtung der Intelligenzkurve zeigt jedoch, dass es die sogenannte flüssige Intelligenz (Cattell, 1962) ist, die diesen Verlauf nimmt, wohingegen die sogenannte kristallisierte Intelligenz, welche auf erworbenes Wissen zurückgreift, relativ stabil bleibt.

Unter flüssiger Intelligenz verstehen wir all diejenigen Anteile unserer kognitiven Ressourcen, die erfahrungsunabhängig sind und uns zum Beispiel durch Abstrahieren und das Ziehen logischer Schlüsse befähigen, neue Situationen zu meistern und Neues zu erlernen. Kristallisierte, auch kristalline Intelligenz genannt, ermöglicht uns, auf bereits Erlerntes zurückzugreifen und anhand von Erfahrungen uns im Leben weiter zu entwickeln. Diese beiden Komponenten unserer geistigen Fähigkeiten wirken ständig zusammen und sind schwer voneinander zu trennen. Jedoch gibt es einen wesentlichen Unterschied zwischen den beiden Intelligenzanteilen, so das Erlanger Modell:

Nur die flüssige Intelligenz, auch fluide Intelligenz genannt, ist tatsächlich trainierbar. Kristallisierte Intelligenz operiert auf demjenigen Erfahrungsschatz, welchen wir uns via unserer flüssigen Intelligenzanteile im Laufe unseres Lebens zusammen getragen haben. Flüssige Intelligenz erlaubt uns, dieses Wissen zu erhalten und lebenslang zu vergrößern.

Die Abnahme der geistigen Leistungsfähigkeit mit zunehmendem Alter ist also kein unabwendbares Schicksal, sondern kann positiv beeinflusst werden. So ist auch zu erklären, warum manche Menschen hochbetagt noch genauso geistig mobil sind, wie sie es in jungen Jahren waren. Die körperliche Leistungsfähigkeit bietet im Grunde genommen nicht dieses Potential: Wir können im Alter unserem Körper kaum die gleiche Leistungsfähigkeit abverlangen, wie mit 20 Jahren. Unser Geist hingegen wäre bei ausreichendem Training in der Lage, so die Hirnforscher, auch im fortgeschrittenen Alter Leistungen zu vollbringen, wie wir sie früher erzielen konnten.


Was ist MAT - Mentales Aktivierungs-Training?

Verarbeitungsgeschwindigkeit und Merkspanne sind genau die beiden Grundgrößen, welche einem Training zugänglich sind und es dem Menschen ermöglichen, seine flüssige Intelligenz zu trainieren. Deshalb ist das MAT kein Gedächtnistraining im herkömmlichen Sinne, bei dem Gedächtnisleistung durch Lernstrategien gefördert werden, sondern ein Aktivierungstraining, in dem mentale Grundfunktionen mit einfachen Übungen durch tägliches Training von 5 bis 10 Minuten gefördert werden. Gedächtnisübungen, die auf kristallisiertes Wissen zurückgreifen, wie zu Beispiel die Frage "Wann wurde Goethe geboren?", fordern das Gehirn nicht wirklich. Wir antworten auf diese Frage lediglich mit "Ich weiß es." oder mit "Ich weiß es nicht." MAT-Übungen sind daher immer so ausgerichtet, dass kein Wissen erforderlich ist. Vielmehr sind die kognitiven Basisfunktionen gefordert. Dieses Training der Basisfunktionen bewirkt eine Stärkung der mentalen Leistungsfähigkeit insgesamt: besser konzentrieren, schneller denken, weniger vergessen.